— Eintracht Degerschlacht: Nach 128 Jahren ist Schluss.
Ein traditionsreicher Gesangverein löst sich auf
Der Gesangverein „Eintracht Degerschlacht 1897“ hätte in diesem Jahr sein 128-jähriges Bestehen gefeiert – doch dazu wird es nicht mehr kommen. In seiner letzten Sitzung beschlossen die Mitglieder die endgültige Auflösung des Vereins.
Abschied mit Musik und Gemeinschaft
„Ende vergangenen Jahres waren es noch 57 Mitglieder“, erklärte Vorsitzender Reinhard Wehrmann. Trotz des Mitgliederschwunds wurden 2024 noch 41 Singstunden abgehalten. Mit einer Ehrungsmatinee am 23. Oktober verabschiedete sich der Verein offiziell von seinen Freunden, und die Weihnachtsfeier markierte das letzte gemeinsame Event.
„Wir hatten auch im letzten Jahr noch eine gute Stimmung und viel Spaß gemeinsam“, berichtete Chorleiter Axel Göller. Von Trostlosigkeit sei nichts zu spüren gesesen. Ihm sei es besonders wichtig gewesen, in dieser Zeit viele gemeinsame Veranstaltungen mit anderen Chören zu organisieren, um den Übergang für seine Sänger zu erleichtern. „Ich wollte erreichen, Schwellenhemmungen abzubauen und es so dem einen oder anderen leichter zu machen, den Schritt in einen anderen Chor zu wagen“, erklärte er. Der Degerschlachter Chor sei für ihn immer etwas Besonderes gewesen: „Alle haben gerne miteinander gesungen.“
Finanzielle Engpässe und Altersstruktur als Hauptgründe
Dass die gemeinsame Zeit begrenzt sein würde, ihm von Anfang an bewusst, als Axel Göller die Aufgabe des Chorleiters vor zweieinhalb Jahren übernahm. Dennoch fällt der Abschied schwer. „Es ist einfach schade“, sagte Göller.
Letztlich gaben finanzielle Gründe den Ausschlag für die Auflösung, berichtete Kassierer Walter Thieringer. „Zum Jahreswechsel waren 3.000 Euro weniger in der Kasse als noch zu Beginn des Jahres“, erklärte er.
Die Hoffnung, doch noch eine Alternative zu finden, erfüllte sich nicht. „Es gibt keine“, bedauerte Schriftführer Thomas Schäfer. Das Problem sei die geringe Zahl der Sänger sowie deren fortgeschrittenes Alter. „Uns bleibt nichts anderes übrig“, stellte auch Wehrmann resigniert fest. „Wir haben kein Geld, um den Dirigenten zu bezahlen.“ Auch die Organisation von Veranstaltungen zur finanziellen Unterstützung des Vereins sei aufgrund der geringen Mitgliederzahl nicht mehr möglich gewesen.


Archiv-Bilder
Was passiert mit dem Vereinsvermögen?
Die Auflösung wurde schließlich offiziell beschlossen. Rein juristisch bleibt die „Eintracht Degerschlacht“ noch ein weiteres Jahr bestehen, um möglichen Gläubigern Gelegenheit zu geben, ihre Ansprüche geltend zu machen. Ein Notar muss den Prozess beglaubigen, und noch vorhandene Vereinsgegenstände werden verkauft. Nach Ablauf der Frist geht das verbleibende Vereinsvermögen an die Stadt Reutlingen, die es für gemeinnützige, kulturelle Zwecke – vorzugsweise in Degerschlacht – einsetzen soll.
Bis zur endgültigen Löschung aus dem Vereinsregister befindet sich der Verein nun in der Liquidationsphase.
Zukunft ohne Verein, aber nicht ohne Gemeinschaft
„Es tut schon weh“, sagte Reinhard Wehrmann, der seit 20 Jahren im Vorstand tätig war. Der Gesangverein und das mit dem Verein verbundene Mundart-Theater „Eulazwicker“ hätten ein Stück Dorfgeschichte geschrieben.
Auch Bezirksbürgermeisterin Ute Dunkl bedauerte das Ende des Vereins. Sie bot den Mitgliedern jedoch an, das Vereinszimmer weiterhin zum gemeinsamen Singen zu nutzen – ganz egal, ob als offizieller Verein oder als private Gruppe. Ein Chorleiter sei dabei auch nicht zwingend erforderlich.
Und so endet zwar die Ära des Gesangvereins „Eintracht Degerschlacht“, doch die Freundschaften und die Freude am gemeinsamen Singen sollen bleiben. Ein regelmäßiger Stammtisch ist bereits in Planung.