Eine Art Enkeltrick. 

Anruf vom „Amtsarzt“. 

Antonia* ist 97 Jahre alt. Vor zwei Wochen ist ihr Mann im Alter von 99 Jahren gestorben. Vor ein paar Tagen war die Beerdigung. Am Samstag davor hatte es in der Zeitung gestanden. „Wir trauern“. Mit Namen des Verstorbenen, Geburts- und Sterbedatum. Die Vornamen von Antonia und ihren inzwischen ja auch schon in die Jahre gekommenen Kindern. Der Ort, an dem die Beerdigung stattfinden würde.

Antonia saß zu Hause am Esstisch

Antonia saß zu Hause am Esstisch, als das Telefon klingelte. Alleine. Sie brauchte etwas Zeit für sich. Deshalb hatte sie die Familie gebeten, erstmal von Besuchen abzusehen.

Antonia ging ans Telefon und meldete sich mit „Ja?“
Ihren Namen sagte sie schon lange nicht mehr. Man konnte ja nie wissen.

Der Mann am anderen Ende stellte sich als Amtsarzt vor. Mit Doktortitel. Und er sprach schwäbisch.
„Spreche ich mit Antonia Uhl* ?“, wollte er wissen.

„Ja…“, antwortete Antonia vorsichtig. Immerhin war er ein Arzt. Sogar von Amts wegen. Und er kannte ihren Namen.

„Ist Johan Uhl* Ihr Sohn?“, fragte er weiter.

Ist Johan Uhl Ihr Sohn?

„Ja …“ sagte sie immer noch vorsichtig. Sie wartete ab, was der Mann ihr zu sagen hatte.

„Leider muss ich Ihnen dann mitteilen, dass Ihr Sohn einen schweren Unfall hatte“, erzählte der Anrufer.

Antonia setzte sich. Alles Blut war aus ihren Wangen gewichen. Ihr Herz schlug schneller, sie atmete tief ein und hielt dann die Luft an. Schockiert. Gelähmt.

„Sein Zustand ist lebensbedrohlich“, sagte der Mann. „Mit einer speziellen Operation hat er aber gute Chancen, dass wir sein Leben retten können. Die Operation ist allerdings sehr kostspielig“, erklärte er.

Sein Zustand ist lebensbedrohlich

„Ja?“ Antonia bekam kaum noch Luft.

„Wir rufen Sie an, weil wir eine Genehmigung brauchen, diese Operation durchführen zu können“, so der Mann. „Dann sollten Sie uns schnellstmöglich 20 000 Euro überweisen, damit wir Ihren Sohn retten können.“

Antonia wurde hellhörig.

Moment, dachte sie. Wieso ruft der mich an und nicht Johans Frau? Wieso soll ich 20.000 Euro überweisen? Da stimmt etwas nicht, dachte sie.

„Ich klär das“, erklärte sie dem Anrufer und legte auf.

Sie wählte Johanns Nummer. Der saß am Schreibtisch im Büro und erfreute sich bester Gesundheit.

Johan erfreute sich bester Gesundheit

„Gott-sei-dank“, sagte seine Mutter, als er sich meldete und atmete hörbar aus. „Ich bin zwar alt, aber wenn jemand Geld von mir will, werde ich hellhörig, lachte sie, nachdem sie Johan die Geschichte erzählt hatte.

Johann allerdings war sauer. Wie skrupellos muss man sein, um auf diese betrügerische Art Geld zu ergaunern. Name und Alter hatte er aus der Todesanzeige, vermutete er. Die Telefonnummer stand im Telefonbuch.

Hätte sie das bei der Polizei anzeigen sollen?
„Bringt doch nichts“, sagte seine Mutter. „Den findet man doch nie. Und außerdem ist ja nichts passiert.“

(* Namen geändert)