— Brigitte Frey: Abschied in den Ruhestand.
„Die Menschen hier sind mir ans Herz gewachsen“.
„Wir stämmen alles in Degerschlacht“, so das Resumee der Leiterin des Degerschlachter Kinderhauses, Brigitte Frey, wenn sie an die vergangenen 30 Jahre zurückdenkt. Am Ende des Monats verabschiedet sie sich nach 30 Jahren in den Ruhestand.
Eigentlich hätte die Erzieherin bereits zum 1. Februar 2023 in Rente gehen können. „Ich wollte aber einfach noch etwas fertig machen und mein Team gut begleiten“, erklärt sie. „Eine Situation wie diese – das Auflösen einer Einrichtung und der Aufbau einer neuen – hat ja noch keiner von uns je erlebt.“
So viele Erinnerungen
Nach 30 Jahren hat sie nun ihr Büro aufgeräumt und an ihre Nachfolgerin übergeben. Es sei ihr schwer gefallen, sagt sie. So viel hat sich in all den Jahren angesammelt, so viele Erinnerungen. Sie fühlt sich mit Degerschlacht verbunden. „Ich hab schließlich so viele Familien begleitet“, so die Erzieherin.
„Inzwischen erlebe ich die nächste Generation“
Sie habe sich immer gefreut, etwas von ihren ehemaligen Schützlingen zu hören, ein bisschen an ihrer Entwicklung teilhaben, ihren Lebensweg verfolgen zu können.
„Inzwischen erlebe ich die nächste Generation“, berichtet sie, denn manche ihrer ehemaligen Schützlinge bringen nun als Eltern ihre eigenen Kinder ins Kinderhaus.
„Am Anfang mit 81 Kindern im Rathaus“
Degerschlacht ist etwas Besonderes. „Am Anfang waren wir mit 81 Kindern im Rathaus“, erinnert sie sich. Eine Gruppe traf sich in den Räumen, die tatsächlich dafür vorgesehen waren, eine im Sitzungssaal. Das habe sie fasziniert. „Eine Gemeinde, die ihr Rathaus für die Kinder des Ortes öffnet – das ist einfach etwas Besonderes“, findet sie.
Immer viel Unterstützung erhalten
Alle Bürgermeister, die sie während ihrer Zeit hier kennengelernt hat, hatten immer ein offenes Ohr, wenn es um die Kinder ging. Das habe sie beeindruckt und letztendlich veranlasst, länger zu bleiben, als sie eigentlich musste.
Auch von der Elternschaft und dem Elternbeirat habe sie viel Unterstützung erhalten. Und nicht nur das: Auch die Vereine waren immer dabei, wenn Hilfe gebraucht wurde.
„Ich wollte immer ein Teil dieser Gemeinschaft sein“, so die Erzieherin. „Die Menschen hier sind mir ans Herz gewachsen.“

2008 Umzug in den Kindergarten Am Wasserturm. (Archivbild)
Projekt Bildungshaus
„Doch wir hatten trotz allem immer zu wenig Plätze“, erinnert sie sich. Deshalb war sie sofort begeistert, als im Jahr 2000 das Projekt für einen Kindergarten am Wasserturm mit offenem Konzept und offener Arbeit ins Leben gerufen wurde.
Degerschlacht sollte einen zweiten Kindergarten bekommen. Mit dem Modellprojekt „Schulanfang auf neuen Wegen“ sollte hier ein „Bildungshaus“ entstehen. Insgesamt 37 Einrichtungen sollten dieses Konzept einführen.
Zweiter Kindergarten am Wasserturm
Das Projekt startete unter der Federführung des Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer und alle – Eltern, Kinder und Erzieher – arbeiteten aktiv daran mit.
2008 wurde der Kindergarten in der Martin-Knapp-Straße geschlossen. Die Kinder zogen in das „Am Wasserturm“ um.

Einweihung der Kinderkrippe in der Martin-Knapp-Straße (Archivbild)
Erste Einrichtung mit städtischer Krippe für Kinder von 1 bis 3 Jahren
Damit hatte das Degerschlachter Kinderhaus nun zwei Standorte: die Krippe in der Martin-Knapp-Straße und den Kindergarten am Wasserturm.
„Wir waren eine der ersten Einrichtungen in Reutlingen, die eine städtische Krippe für Kinder von 1 bis 3 Jahren angeboten haben“.

Bildungshaus mit Kindergarten und Krippe – eines der ersten in Deutschland
Das pädagogische Konzept sah eine enge Zusammenarbeit mit der Auchtertschule vor. „Wir waren nun ganz in der Nähe, was natürlich vieles einfacher machte“, erinnert sich Brigitte Frey. „Ein Bildungshaus mit Kindergarten und Krippe – damit hatten wir fast in ganz Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal“, erzählt sie und man merkt ihr an, dass ihr die Arbeit viel Freude gemacht hat.
Container als Übergangslösung
Doch auch der Kindergarten am Wasserturm kam bald an seine Grenzen. Wieder gab es mehr Kinder als Plätze vorhanden waren. Als Übergangslösung wurde dann ein Container bei der Auchtertschule aufgestellt. Doch das fand die Erzieherin „war keine gute Lösung.“ Die Kinder hätten die Trennung nicht gut verkraftet. „Ich war froh, als es uns gelungen war, wieder alle unter einem Dach betreuen zu können.“

Die Bauarbeiten für das neue Kinderhaus schreiten voran. (Archivbild)
Ein neues Kinderhaus – Umzug Anfang 2025
Nachdem dann die Neuapostolische Kirche in der Schinkelstraße abgerissen war, konnte der Umbau für ein neues Kinderhaus endlich begonnen werden. Bis dahin werden die Kinder in einer Interimseinrichtung in Orschel-Hagen betreut. Bis zum Umzug Anfang des kommenden Jahres werden sie täglich mit dem Bus aus Degerschlacht abgeholt und nachmittags wieder zurückgebracht.
An veränderte Situation angepasste Betreuungszeiten
Die familiären Situationen haben sich verändert, weiß Brigitte Frey. Die Mütter sind beruflich engagierter als noch vor 30 Jahren, dafür sind auch die Väter inzwischen sehr viel mehr in die Erziehung der Kinder einbezogen und entscheiden sich oft sich während einer Elternzeit aus dem Beruf auszuklinken.
Die Kinderhaus-Leiterin ist froh, dass sie den Eltern mittlerweile an die neue Lebenssituationen angepasste Betreuungszeiten anbieten kann. „Und Frühstück und Mittagessen gibt es für die Kinder auch“, erzählt sie.
Ohne ein gutes Team gehts nicht
Ohne ein gutes Team könne man als Leiterin aber nichts ausrichten, so Brigitte Frey. Mit einigen ihrer Mitarbeiterinnen arbeitet sie schon seit vielen Jahren zusammen, manche sind erst seit kurzem dabei. „Wir haben eine gute Mischung“, sagt sie. Das Team biete einen bunten Strauß für Kinder und Eltern. „Für jeden gibt es so jemanden, der zu ihm passt.“
Der neue Beruf: Rentnerin
Ab Dezember 2024 ist Brigitte Frey dann tatsächlich im Ruhestand. Ihre Pläne?
„Die ersten vier bis sechs Wochen mach ich erstmal Urlaub. Ganz ohne Ziele“, verrät sie. Ausschlafen wird sie, Zeitung lesen, die Weihnachtszeit mit Söhnen und Enkeltochter mitgestalten.
Ab Mitte Januar hat sie geplant, will sie sich in ihren neuen Beruf, Rentnerin, einarbeiten. Wie genau diese neue Tätigkeit dann aussehen wird? „Keine Ahnung“, sagt sie und schmunzelt. „Das findet sich.“
Worauf sie sich besonders freut: Zeit zu haben für die Familie, die teils in London und teils auch in Italien wohnt, Freunde zum Frühstücken treffen.
Was sie sich wünscht: Auch weiterhin immer wieder mal etwas über die Entwicklung „ihrer“ Kinder zu erfahren. (RS)